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Studie entdeckt Mechanismus, der eine Vielzahl von Viren hemmt, ähnlich einem, der bereits in Krebsmedikamenten gefunden wird

Jun 23, 2023

31. August 2023

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by TWINCORE - Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung

TWINCORE-Forscher beschreiben einen Mechanismus, der die Virusreplikation hemmt und Zellen vor Schäden schützt. Interessanterweise könnte sich ein bereits zugelassenes Medikament bei der Bekämpfung verschiedener Viren als nützlich erweisen.

AIDS, Grippe, COVID-19 – immer wieder befallen Virusinfektionen ganze Regionen der Welt und kosten Menschenleben. Bisher gibt es keine Medikamente mit breiter antiviraler Wirkung. Forscher aus Hannover wollen das ändern.

In der Fachzeitschrift PLOS Pathogens beschreiben Prof. Frank Peßler und sein Team am TWINCORE – Center for Experimental and Clinical Infection Research, einem Joint Venture des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und der Medizinischen Hochschule Hannover, einen Weg, die Vermehrung einer Infektion effektiv zu hemmen Vielzahl von Viren.

Für die jetzt veröffentlichte Studie arbeiteten die Forscher der Arbeitsgruppe Biomarker für Infektionskrankheiten mit Teams der Universitäten Gießen und Aarhus sowie des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) zusammen.

Dass die Bekämpfung von Viren so schwierig ist, liegt unter anderem an ihrer einfachen Struktur. Sie bieten nur wenige Angriffspunkte für Hemmstoffe. Darüber hinaus verändern sie sich immer wieder so, dass Wirkstoffe ihr Ziel nicht mehr erkennen.

Viren, die nur aus wenigen Bestandteilen bestehen, nutzen für ihre Vermehrung körpereigene Strukturen ihres Wirts, beispielsweise des Menschen. Auch weil schwere Auswirkungen einer Virusinfektion häufig auf eine überschießende Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems zurückzuführen sind, richten Forscher ihr Augenmerk zunehmend auf die Wechselwirkung zwischen Virus, menschlicher Physiologie und Abwehrsystem.

Ziel ist es, Mechanismen im Körper zu finden, die therapeutisch gehemmt oder verstärkt werden können, um eine Virusinfektion zu verlangsamen und ihre Auswirkungen zu lindern. Forschern um Frank Peßler ist es nun gelungen, zwei Mechanismen in menschlichen Zellen gleichzeitig so zu beeinflussen, dass beides geschieht.

Peßler und seine Kollegen erforschen das körpereigene Molekül Itaconsäure. Vor einiger Zeit entdeckten sie, dass eine pharmakologisch optimierte Variante davon, 4-Octylitaconat, besonders effizient einen Signalweg aktiviert, der verschiedene Schutz- und Abwehrmechanismen menschlicher Zellen steuert.

Der Schalter für diesen Signalweg ist ein Protein namens NRF2. Ihre Experimente ergaben jedoch immer wieder Hinweise darauf, dass 4-Octylitaconat die Virusreplikation direkt beeinträchtigt – unabhängig vom NRF2-Signalweg. Um diesen Hinweisen nachzugehen, stellten sie im Labor Zellen ohne NRF2-Protein her.

Fehlte der Schutzschalter, vermehrten sich Influenzaviren tatsächlich besser. Zu ihrer Überraschung stellten die Forscher jedoch fest, dass 4-Octylitaconat auch ohne NRF2 die Vermehrung von Influenzaviren genauso stark hemmte wie in unmodifizierten Zellen.

„Als wir die ersten Ergebnisse dieser Experimente sahen, waren wir ziemlich erstaunt“, sagt Frank Peßler. „Natürlich haben wir uns schon immer mit dem richtigen Wirkstoff beschäftigt, sind aber erst jetzt dem entscheidenden Wirkmechanismus auf die Spur gekommen.“

Peßler und seine Kollegen vermuteten, dass 4-Octylitaconat den Transport von Proteinen und Nukleinsäuren aus dem Zellkern behindert, auf den viele Viren angewiesen sind.

Um ihre Annahme zu überprüfen, verglichen sie die Wirkung von 4-Octylitaconat mit der eines Krebsmedikaments (Selinexor), das einen Transportkanal aus dem Zellkern blockiert. Sowohl das Krebsmedikament als auch die Itaconsäure-Variante hemmten die Replikation eines Influenzavirus. Sie verhinderten, dass Vorläufer der neu gebildeten Viruspartikel aus dem Zellkern der Wirtszelle transportiert werden. Die unfertigen Viren blieben sozusagen im Zellkern stecken.

„Wir waren sehr überrascht, wie effizient 4-Octylitaconat durch diesen Mechanismus direkt die Vermehrung von Influenzaviren hemmt“, sagt Peßler. Die Autoren der aktuellen Studie liefern auch eine Erklärung für ihre Beobachtung: In der Struktur des Transportkanals fanden sie eine Stelle, an die sowohl 4-Octylitaconat als auch das Krebsmedikament binden. Es ähnelt der Stelle, an der 4-Octylitaconat mit dem Protein interagiert, das den NRF2-Schalter steuert.

Mit biochemischen Methoden konnten die Forscher nachweisen, dass 4-Octylitaconat tatsächlich an den Kerntransporter in menschlichen Zellen bindet und ihn dadurch blockiert. Peßler und seine Kollegen beobachteten diesen Effekt auch bei anderen Substanzen, die bisher nur als NRF2-Aktivatoren bekannt waren.

Die nun veröffentlichten Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung antiviraler Therapien. Interessanterweise sind eine Vielzahl von Viren mit sehr unterschiedlichen Lebenszyklen auf den Export von Proteinen oder Nukleinsäuren aus dem Zellkern angewiesen.

Vom Influenzavirus, das die saisonale Grippe verursacht, und SARS-CoV-2 über das Respiratory Syncytial Virus (RSV), das im vergangenen Winter zahlreiche Säuglinge hospitalisiert hat, bis hin zur Tollwut, die in vielen asiatischen und afrikanischen (Reise-)Ländern wieder stärker verbreitet ist – Sie alle benötigen den Transportkanal zur Replikation. Bei unterschiedlichen Viren hängen unterschiedliche Schritte der Vermehrung vom Kanal ab. Die Blockierung dieses Weges verspricht daher, vielen verschiedenen Virenarten entgegenzuwirken.

Auch neu auftretende Viren könnten auf diese Weise möglicherweise ausgebremst werden. „Die nächste Pandemie kommt bestimmt“, sagt Frank Peßler. „Und wäre es nicht schön, eine Pille zu haben, die den Menschen schnell helfen und die Ausbreitung frühzeitig eindämmen könnte – noch bevor wir genau wissen, um welches Virus es sich handelt?“

Die Tatsache, dass ein Inhibitor des Transportkanals bereits als Medikament zugelassen ist, eröffnet Perspektiven für eine schnelle Anpassung der Therapie an Virusinfektionen. Allerdings verfügt dieses Medikament nicht über die zellschützenden Eigenschaften der NRF2-Aktivatoren.

Peßler plant daher, chemische Varianten der Itaconsäure so zu optimieren, dass sie gleichermaßen virushemmende und zellschützende Wirkungen haben. Die Tatsache, dass Itaconsäure im Menschen natürlich vorkommt, lässt darauf hoffen, dass dadurch Medikamentenkandidaten mit möglichst wenigen unerwünschten Nebenwirkungen entstehen.

Mehr Informationen: Fakhar H. Waqas et al., NRF2-Aktivatoren hemmen die Replikation des Influenza-A-Virus, indem sie den nukleozytoplasmatischen Export viraler RNPs auf NRF2-unabhängige Weise stören, PLOS Pathogens (2023). DOI: 10.1371/journal.ppat.1011506

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